Sein, wer ich bin

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Die Sehnsucht nach Authentizität
Authentizität – allein den Begriff auszusprechen fällt schon schwer. Danach zu leben oft noch schwerer. Doch die Wissenschaft der Positiven Psychologie stellt fest: Authentizität ist für uns alle eine wesentliche Antriebskraft.


Aus gutem Grund
Eine Vielzahl von Studien der letzten Jahre hat belegt, dass Authentizität uns verschiedenste positive Effekte beschert.
Menschen, die ihr Leben als sinnvoll und authentisch bewerten, haben einen stabileren Selbstwert, ein höheres Wohlbefinden, eine größere Lebenszufriedenheit, erfüllendere Beziehungen – außerdem weniger Angst, weniger Aggressionen und weniger depressive Symptome. Und auch körperlich profitieren Menschen von einem selbstbestimmten, sinnhaften Leben: Sie werden älter, bleiben gesünder und leiden an weniger Krankheitssymptomen.

Erleben wir hingegen eine Diskrepanz zwischen dem, was wir sagen und tun, und dem, was wir denken und fühlen, erzeugt das innerseelische Spannung und Stress. Wenn wir Tag für Tag unauthentisch leben, fordert dies emotional einen hohen Tribut. Wenn wir versuchen, ein Leben zu führen, in dem unser Selbstgefühl nicht im Einklang mit der Realität steht, büßen wir unser Wohlbefinden ein, riskieren sogar Depressionen und Angstzustände.


11 Gründe, warum wir uns selbst treu bleiben sollten


1) Du wirst mental stärker
Dein Selbstwertgefühl hängt nicht mehr von deinen Mitmenschen ab. Du bist stolz auf deine Fähigkeiten und Stärken, akzeptierst aber auch deine Fehler und Schwächen. Kritik trifft dich nicht mehr so hart, weil du diese nicht mehr als persönlichen Angriff wahrnimmst.


2) Du wirst mehr Spaß haben
Deine Ausstrahlung verändert sich. Du wirst viel befreiter durchs Leben gehen. Du hast nicht ständig das Gefühl, es allen Recht machen zu müssen und dich zu verbiegen. Sondern du traust dich auch mal das zu tun, worauf du Lust hast. Und diese innere Zufriedenheit nimmt auch dein Umfeld wahr.


3) Du wirst wissen was du willst
Wer sich selbst treu ist, achtet auf die eigenen Bedürfnisse. Du wirst den Mut haben, dein Leben so zu leben, wie du es für richtig hälst. Die Ziele, auf die du hinarbeitest, sind selbstbestimmt und du bist intrinisisch motiviert etwas anzugehen.


4) Du wirst leichter Entscheidungen treffen
Du musst dich nicht mehr bei allem, was du tust, fragen, was andere darüber denken. Deine Entscheidungen rechtfertigst du nur noch vor dir selbst. Das lässt dich mutiger in deinen Entscheidungen werden und übernimmst dadurch auch eine Selbstverantwortung.


6) Du wirst dich selbst mehr respektieren
Wer sich dauerhaft verstellt, kann sich irgendwann selbst nicht mehr leiden. Oft sagen wir „Ja“ um anderen zu gefallen, Konflikte zum umgehen oder aus Angst ausgegrenzt oder sogar nicht mehr geliebt zu werden. Wer zu seinen Werten und Einstellungen steht, kann sich auch selbst respektieren und lieben.


7) Du wirst weniger an dir zweifeln
Wenn du authentisch bist, zeigst du dir, wie du bist und dies stärkt dein Selbstbewusstsein. Du kennst dich selbst am besten, du kennst deine Motive, deine Gedanken und Gefühle. Dadurch kannst du bewusst und situationsgerecht handeln und selbstreflektiert deine Ressourcen nutzen. Dadurch weisst du auch, wo deine Grenzen liegen und was du schaffen kannst.


8) Du wirst stolz auf dich selbst sein
Wer es schafft auch in schwierigen Situationen zu sich selbst zu stehen, hat danach ein gutes Gefühl. Kannst du dich beispielsweise in Situationen gut abgrenzen und mal „Nein“ sagen, dann nährst du deinen Stolz, dein Selbstvertrauen und deinen Mut.


9) Du wirst entspannter sein
Sich auf Dauer zu verstellen oder eine Rolle zu spielen, die vermutlich besser ankommt oder gefragter ist, ist sehr anstrengend. Du musst tagtäglich gegen deine Natur angehen, dich verstellen, verbergen, schauspielern. Sich endlich nicht mehr verstellen zu müssen, wird zu einer großen Erleichterung und Befreiung.


10) Du wirst zum Vorbild für andere
Spüren deine Mitmenschen, dass du keine Angst davor hast, zu dir selbst zu stehen, ermutigst du sie, es dir nachzumachen. Mit deinem Verhalten signalisierst du anderen, dass es keinen Grund gibt, sich zu verstellen und einfach nur du selbst sein darfst.


11) Du wirst erfolgreicher sein
Wenn du authentisch bist, lebst du konform mit deine Werten und Stärken. Du kommst dadurch öfters in das Gefühl von „Flow“. Du bist daher auf lange Sicht auch stress- und krisenresistenter und stärkst so deine Resilienzfähigkeit. Außerdem sind authentische Menschen oft beliebt, mit ihrer spürbar echten und positiven Ausstrahlung.


Was sind die Voraussetzungen für ein authentisches Leben?

Laut dem Psychoanalytiker Erich Fromm brauchen wir dazu folgende Eigenschaften:

Die Fähigkeit des Staunens: Verblüfft, neu­gierig, überrascht, offen – so erleben Kinder die Welt. Ihr Staunen erlaubt es ihnen, kreative Antworten auf die Erfahrungen zu finden. Die meisten Erwachsenen haben diese Fähigkeit verloren. Wer den staunenden Blick neu erlernt, bereichert das eigene Leben und hinterfragt, warum die Dinge so sind, wie sie sind.

Die Kraft, sich zu konzentrieren: „Wir tun fünf Dinge gleichzeitig, und wir tun nichts richtig.“ Wenn wir hingegen fokussiert an eine Sache herangehen, gibt es nichts Wichtigeres als das Hier und Jetzt. Vergangenheit und Zukunft sind für Fromm keine realen Erfahrungen. Darum gilt es, die Wahrnehmung zu schärfen für den Moment – für das, „was man jetzt im Augenblick tut, sieht und fühlt“.

Die Fähigkeit zur Selbsterfahrung: „Man kann die Angst und diesen Zwang, sich anzupassen, nur dadurch überwinden, dass man ein ‚Selbst‘-Gefühl entwickelt, in dem ich mich schöpferisch als Urheber meiner Taten erlebe“, meint Fromm. Das bedeute allerdings nicht, egois­tisch oder narzisstisch zu werden. Ganz im Gegenteil: Man kann sich „nur im Prozess des Bezogenseins auf andere als ‚Ich‘ erleben“.

Konflikte und Spannungen akzeptieren: Eine weitere Voraussetzung für ein authentisches Leben ist die Fähigkeit, Polaritäten, Spannungen und Konflikte auszuhalten – und sie sogar als „Quelle des Staunens, der Entwicklung der eigenen Kraft“ zu verstehen. Wer Konflikte vermeidet, läuft laut Fromm Gefahr, zu einer „reibungslos laufenden Maschine zu werden“, bei der alle Gefühle verflachen.

Die Bereitschaft, täglich neu geboren zu werden: Für ein authentisches Leben braucht es auch die Bereitschaft, alle Sicherheiten aufzugeben – was Fromm als „Bereitschaft, geboren zu werden“ beschreibt. Dazu brauche es den Mut, sich von anderen zu unterscheiden und der Realität des eigenen Erlebens zu vertrauen: dem eigenen Denken, Fühlen, Wollen, Wünschen und Handeln.

 

Quelle: Psychologie heute, Nicole Burtscher