Alle meine Gefühle

Freue ich mich, bin ich genervt – oder langweile ich mich?
Die Forschung zeigt – wer alle seine Gefühle kennt, kommt besser durchs Leben.

Ich bin begeistert“ oder „Mir ist gerade zum Heulen zumute“. „Ich bin richtig sauer“ oder „Ich bin rundum zufrieden“. „Das macht mir Angst“ oder „Ich fühle mich entspannt“. „Ich hasse dich“ oder „Ich liebe dich“.
Die Sprache stellt uns eine Menge Ausdrücke für unsere Gefühle zur Verfügung. Und wer gerade keine Worte findet, kann in den langen Listen mit Emojis dasjenige heraussuchen, das die eigenen Gefühle gerade am besten wiedergibt – von Verzweiflung über Freude, Verschmitztheit bis hin zu Skepsis oder Verachtung findet man den passenden Gesichtsausdruck.


Die Vielfältigkeit von Gefühlserleben
Tatsächlich gleicht offenbar kein „Gefühlshaushalt“ dem anderen. Manche Menschen haben ein breitgefächertes Gefühlsleben und andere können häufig nicht sagen, ob sie gerade niedergeschlagen sind, sich unausgeglichen fühlen oder vielleicht doch eher nur gelangweilt.
Und auch wir selbst schwanken: An manchen Tagen können wir sehr gut unterscheiden, ob wir gerade ärgerlich oder gereizt sind, ob wir jemanden missgünstig beneiden oder doch eher mit uns selbst unzufrieden sind. An anderen Tagen fühlen wir uns womöglich einfach nur „dumpf“, weder besonders fröhlich noch betrübt, irgendwie gleichgültig.


Positive Gefühle unterstützen deine Gesundheit
Die Wissenschaft jedoch zeigt: Die Fähigkeit, eine große Bandbreite positiver Gefühle zu erleben, scheint mit einer besseren Gesundheit einherzugehen.
Das bedeutet – je vielfältiger die positiven Gefühle (unabhängig von ihrer Intensität), desto weniger Entzündungsmarker im Blut und damit umso besser die Immunabwehr. Täglich erlebte positive Emotionen spielen für die körperliche Gesundheit eine große Rolle (Wissenschaft der Positiven Psychologie).
Fazit: Wer eine große Bandbreite an positiven Gefühlen erleben und wahrnehmen kann, hat oft ein schlagkräftiges Immunsystem und ist gesünder.


Negative Gefühle sind auch Warnsignale
Negative Emotionen sind generell nicht schlecht. Sie haben enorm wichtige Warn- und Schutzfunktionen.
So alarmieren uns negative Gefühle, dass etwas womöglich nicht mit uns stimmt: Wer herausfindet, ob er nur mies drauf ist oder aber enttäuscht, wütend oder melancholisch, kann sich über die Ursachen Gedanken machen und dann vor allem auch Möglichkeiten der Abhilfe finden.


Lässt sich ein vielfältiges Gefühlsleben trainieren?
Viele Menschen versuchen, ausschließlich aus Verstand und Vernunft heraus zu leben, und deshalb die eigenen Empfindungen oft kaum wahrnehmen und folglich auch nicht nutzten. Sich mit dem eigenen Gefühlsleben, den eigenen emotionalen Systemen gezielt zu beschäftigen ist jedoch lebenslang sehr sinnvoll und möglich. In allen Situationen, in denen es einem nicht gutgeht, ist achtsames Innehalten sinnvoll, um zu prüfen, welche emotionalen Vorgänge diesem Zustand zugrunde liegen (siehe Tipps unten).


Zeit für die innere Musik der Emotionen nehmen
Weil dafür im Alltag oft die Zeit fehlt, muss man sie sich nehmen. So kann man das Wissen über das eigene Gefühlsleben kontinuierlich verbessern, ebenso die Fähigkeit zum regulierten Umgang mit den eigenen Emotionen und die „innere Musik der Emotionen“ erleben. Das bedeutet, hier immer wieder genau hinzuhören und zu versuchen, die unterschiedlichen Zustände zu benennen und zuzuordnen. So hast du die Möglichkeit deine Wahrnehmung zu schärfen und zu schulen (siehe Infokasten unten). 


Fühlen lernen und trainieren
Wenn du dich mit deiner Wahrnehmung und Einschätzung deiner Gefühle und Emotionen schwertust, dann können dir diese Übungen weiterhelfen.
Stelle dir für einen Zeitraum von einer bis zwei Wochen täglich am Abend die untenstehenden Fragen und Impulse und beantworte diese am besten schriftlich.


  • Selbstwahrnehmung: Offen sein für die ganze Komplexität des eigenen Lebens, für vielfältige emotionale Erfahrungen und Erlebnisse. Und sich dabei regelmäßig nach den eigenen Stimmungslagen fragen: Was löst welche Gefühle aus? Und auch analysieren, wie sich mit der Zeit Emotionen dynamisch verändern:

  1. In welchen Situationen habe ich heute deutliche Gefühle verspürt?

  2. Welche Gefühle waren das? (Benenne diese so präzise wie möglich.)

  3. Konnte ich diese Gefühle auch irgendwo im meinem Körper wahrnehmen? (Kribbeln im Bauch, Gänsehaut, Herzrasen, Impulse im Brustbereich, etc.)

  4. Was war der Auslöser für diese Gefühle?

  5. Wie haben meine Gefühle mein Verhalten beeinflusst?

  6. Habe ich meine Emotionen zum Teil oder ganz unterdrückt?


  • Kommunikation: So oft wie möglich mit nahestehenden Menschen über eigene und fremde Gefühle sprechen. Dabei versuchen, Gefühle so präzise und anschaulich wie möglich zu beschreiben.


  • Kultur: Kunst, Film und Literatur bereichern den emotionalen Erfahrungsschatz und das „Weltwissen“ über Emotionen. Sie erweitern den Gefühlshorizont und ermöglichen, eine große Bandbreite emotionaler Zustände nachzuerleben, die über das eigene Leben hinausgeht. Literatur bereichert zudem die sprachliche Ausdrucksfähigkeit rund um das Thema Gefühle.


Sollten du anfangs nicht viele Situationen einschätzen können, so ist dies ganz normal.
Es kommt der Moment, in dem dir bewusst wird, welche Gefühle es sind und was diese mit dir machen. Du wirst mit diesen Übungen  empfindsamer und steigerst deine Selbst- und Selbstwertwahrnehmung.
Übrigens, Gefühle können ja, wenn man sie ausdrücken will, umgewandelt werden in Symbole – seien es Worte, Umarmungen, Gesichtsausdrücke etc.


Mein mentaler Tipp für dich
Bei einfachen Atem- und Körperwahrnehmungsübungen lernst du deinen eigenen Körper gut kennen, gehst mit ihm in Kontakt und bist zugleich im Hier und Jetzt – was wieder für dein Gehirn und deine Gesundheit sehr wichtig ist. Probiers mal aus!

 

Nicole Burtscher
Akademischer Mentalcoach & Diplom-Lebensberaterin
Zertifizierte Supervisorin

Quelle: Psychologie heute