Mein Wunschzettel


Haben wir verlernt richtig zu wünschen?
Unsere Wünsche sind ein Fenster zu wichtigen Facetten unseres Selbst, sagen Psychologen.
Wünsche entspringen Bedürfnissen – sie entstehen, wenn es uns an etwas mangelt. In Gefangenschaft sehnen wir uns nach Freiheit, bei Durst nach Wasser, während des Lockdowns nach sozialen Kontakten. Wünsche können ein Fenster sein, durch das wir sehen, was uns in unserem Leben fehlt.
Daher ist es wichtig, dass wir unsere Wünsche ernst nehmen, denn sie zeigen uns: An dieser Stelle muss ich aufpassen, hier habe ich einen Mangelzustand und den möchte ich beheben.


Ein Wunsch ist kein Ziel
Wünsche sind nicht unbedingt dazu da, erfüllt zu werden. Das unterscheidet sie ganz klar von Zielen.
Das Spannende dabei ist: Auch wenn wir sie nicht Wirklichkeit werden lassen, können sie uns doch dabei helfen, uns sinnvoll weiterzuentwickeln. Unsere Wünsche sind so etwas wie ein Kompass: Allein dadurch, dass wir sie im Gehirn verankert haben, lenken sie unser Leben in eine bestimmte Richtung. Doch damit sie diese Wirkung entfalten können, muss es uns gelingen, sie uns bewusstzumachen.
Wunschkompetenz bedeutet, mir kognitiv und gefühlsmäßig in der Tiefe bewusstzuwerden: Was möchte ich eigentlich wirklich – und wofür? Nur dann ist es ein echter und authentischer Wunsch.


Wunsch-Visualisierungen wirken
Warum funktionieren Visualisierungen (Fähigkeit der Vorstellungskraft)?
Da unser Unterbewusstsein sehr einfach gestrickt ist, reagiert es auf Bilder wesentlich schneller als auf Worte. Durch das Visualisieren programmieren wir unser Unterbewusstsein. Dadurch erhöhen sich die Erfolgs-Chancen der Wunscherfüllung deutlich.
Schlussendlich hängen all unsere Handlungen und deren Erfolge davon ab, welche Gedanken, Gefühle und Bilder wir unterbewusst gespeichert haben. Und unser Unterbewusstsein können wir, wie eben erläutert, bewusst mit Bildern unserer idealen Zukunft füttern. Natürlich muss man dazu auch aktiv werden. Wer den ganzen Tag auf der Couch sitzt und visualisiert, aber nie einen Handgriff tut, wird trotz der Kraft der Bilder kaum seinen Wunsch erfüllt bekommen.


Micro-Practice: Wunsch-Visualisierung

  • Suche dir ein gemütliches, ruhiges Plätzchen. Nimm eine bequeme Position ein und schließe deine Augen.

  • Atme einige Male tief durch. Versuche dich dabei ausschließlich auf deine Atemzüge zu konzentrieren.

  • Wenn du dich entspannt fühlst, beginnst du mit der bildlichen Vorstellung. Fokussiere dich dabei vorerst auf einen einzigen Wunsch.

  • Stell dir vor, wie dieser in Erfüllung geht. Blicke in deiner Vorstellung um dich und nimm alles wahr, was geschieht. Was siehst du? Und was noch?

  • Beobachte dich auch aus der Metaebene (Vogelperspektive). Schau dir selbst dabei zu, wie du dich freust und wie stolz du auf dich bist.

  • Beame dich anschließend gedanklich in deinen Körper zurück und nimm diese Freude, diesen Stolz, dieses übermächtig tolle Gefühl von dieser Position aus wahr.

  • Visualisiere und verinnerliche deinen persönlichen Wunsch täglich.


Kurzfristiges Glück
Die Forschung zeigt, dass uns gerade Konsumwünsche selten langfristig zufriedenstellen. Wir arbeiten darauf hin, uns einen Wunsch zu erfüllen. Doch schon bald, nachdem wir das geschafft haben – das ist typischerweise nach einigen Monaten – geht unsere Glückskurve wieder nach unten, zurück zum Ausgangszustand. Kurzfristig fühle ich mich also gut, aber dann muss etwas Neues her. Daher dürfen wir uns nicht zu sehr auf die Defizite in unserem Leben konzentrieren.

„Wenn wir nicht mit dem zufrieden sind, was wir haben, wären wir auch nicht zufrieden mit dem, was wir gerne hätten.“ -Platon-


Den Sinn im Wunsch erkennen
Wünsche können uns dabei helfen, unserem Leben eine Richtung zu geben. Dabei kommt es weniger darauf an, nach was wir uns sehnen oder wie wir es erreichen können. Interessanter ist oft die Frage nach dem „Warum“. Aus welchem Grund hege ich diesen Wunsch überhaupt?“
Denn Wünsche haben oft mehrere Schichten oder sind wie eine Walnuss, bei der wir zunächst die harte Schale knacken müssen, um an den Kern zu gelangen.

So kann zB. der Wunsch, Karriere zu machen, ganz unterschiedliche Wurzeln haben: die Sehnsucht nach interessanteren Aufgaben, den Drang, Menschen anzuleiten und zu führen, die Suche nach mehr Respekt und Anerkennung. Oder auch das unbewusste Gefühl, wie zb. dem Ehrgeiz seinen Eltern genügen zu müssen. Erst wenn wir die Wünsche hinter unseren Wünschen kennen, sind wir dazu in der Lage, die richtige Entscheidung zu treffen und damit unsere eigentlichen Bedürfnisse zu befriedigen.


Starre Wünschen blockieren
Wünsche können uns den Weg verstellen, wenn wir zu viel an ihnen festmachen – wenn wir zum Beispiel sagen: Nur wenn ich diesen Wunsch erreiche, wird mein Leben gut. Unsere Bedürfnisse ändern sich ständig – je nach Lebenslage. Sich einen Wunsch zu erfüllen bedeutet nicht das ewige Glück.


Wunsch als Mittel zur Selbstfindung
Wunschkompetenz ist nicht einfach ein Tool zur Selbstoptimierung, sondern eher ein Mittel zur Selbstfindung. An unseren Wünschen erkennen wir, was in uns schlummert und uns einzigartig macht. Sie können uns stärker in Einklang mit uns bringen. Dabei kommt es nicht auf konkrete Wünsche an, sondern in erster Linie darauf, den Blick auf Dinge, Situationen und Personen zu schärfen, die für uns bedeutsam sind.


Wünsch Dir was!
Problematisch ist es dagegen, wenn wir uns unsere Wünsche nicht eingestehen – sei es, weil wir uns für egoistisch oder wertlos halten, beispielsweise bei sexuellen Wünschen, oder aber weil wir denken, wir hätten zu unseren Wünschen kein Recht: Brauche ich wirklich eine Haushaltshilfe? Andere schaffen es doch auch ohne.
Wer aus Angst das Falsche zu wünschen, seine Bedürfnisse hinten anstellt, verbaut sich die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Wunschlos glücklich zu sein ist eigentlich daher sehr schade.

Bald ist Weihnachten – wünsch Dir was!


Nicole Burtscher
Akademischer Mentalcoach & Diplom-Lebensberaterin

Quelle: Psychologie heute, photo by pixabay