NEIN sagen – ohne schlechtem Gewissen
Gut zu wissen. Mentalcoaching wirkt.
Warum es mir schwer fällt, NEIN sagen zu können.
Für sich selbst eintreten – das kriegt Autorin Natalie Hanssen selten hin. In schwierigen Situationen reagiert sie entweder zu heftig oder zu schüchtern.
Bericht einer 46jährigen Autorin:
Dienstag, 17:32 Uhr, anstehen beim Bäcker.
Es gibt noch exakt ein Brot. Fein, das hätte ich gern. Da hält ein protziges Auto direkt vorm Laden. Der Fahrer ruft durchs Fenster: „Legst du mir mal eben das Brot zurück?“ Mit jovialem Winken Richtung Fahrer kommt der Verkäufer der Bitte nach. „Hey, das ist aber nicht okay!“, platzt es aus mir heraus. „Das Brot wollte ich auch! Der stand ja nicht mal dafür an. „Mein Herz schlägt bis zum Hals. Stille. Der Verkäufer schließlich entschuldigend: „Soll ich rausgehen, ob ich ihn noch sehe?“ „Nein“, antwortete ich panisch, das geht mir doch zu weit. Zudem höre ich ihn angesichts meiner Kleinlichkeit schon höhnisch lachen. Ich sage noch einmal, dass ich das echt blöd fand, und ziehe ab. Als Dorftrottel ohne Brot im Haus.
Kaum daheim, bin ich vor allem auf mich selbst stinkig. Ich kenne das ja schon: Ich ärgere mich über jemanden, mache meinem Unmut etwas zu spontan Luft, es endet in einem kleinen Drama. Der Verkäufer ist bestürzt, und ich selbst vollkommen durcheinander durch meine Zornesattacke, die mich wütend macht und zugleich beschämt und am Ende mit einem miesen Gefühl zurücklässt.
Am nächsten Tag – in meinem Coworking-Büro – halte ich mich dagegen zu sehr zurück. Meine Kollegin, die recht dominant ist, schlägt vor, den (eigentlich vorübergehenden) zusätzlichen Arbeitsplatz zur Dauereinrichtung zu machen. Wenn wir den vermieten, würde es für jeden günstiger kommen, so ihr Argument. Zögernd sage ich, dass es dann aber ziemlich chaotisch und voll würde. Dass ich mein Fenster nicht mehr ordentlich öffnen könne. Dass es sich um eine vorübergehende Lösung gehandelt hätte. Da fragt sie ungeduldig: „Aber stört es dich?“ Äh. Mietsenkung versus Durcheinander. Ich sollte mich nicht so haben, beschließe ich. „Nein, ist schon okay“, sage ich. Aber mein Bauchgefühl schreit: Verräterin!
Abends liege ich wach. Ärgere mich über die Welt und mich selbst. Ich bin verflixt noch mal 46 Jahre alt, warum ist es so schwer, wie eine Erwachsene für mich selbst einzutreten? Ich lasse mich selbst schamlos im Stich, und das nur, um mir keine Blöße zu geben. Wie lerne ich, dass es sich besser anfühlt, wenn ich mich selbst behaupte?
Mehr Regie über sein Leben zu haben – und letztendlich mehr Glück – heißt nur zum Teil, klar und deutlich sagen zu können, was man will. Der andere Teil besteht in der Akzeptanz der eigenen Bedürfnisse und der Person, die man ist. Und das ist vielleicht sogar wichtiger.
Quelle: Psychologie bringt dich weiter, Januar/Februar 2018